17 Nov 4 Handlungsoptionen gegen den Untergang der MS Deutschland
Nach den Meldungen zur Insolvenz der MS Deutschland entstand am gestrigen Sonntagabend sprunghaft eine Facebookseite zur Rettung des Schiffes. Wir möchten uns beteiligen, einbringen was wir können, um gemeinsam zu tun was wir tun können, die Erinnerung wach zu halten und hoffentlich miterleben wie die vielen Arbeitsplätze und das Traumschiff erhalten bleiben. Die Deutschland ist auch ein Stück Kulturgut.
Sollte die Lage der MS Deutschland tatsächlich so schlecht sein und steht das “Traumschiff” tatsächlich vor dem Aus? Nachfolgend der Versuch Handlungsoptionen digital-strategisch zu erwägen – für Eigentümer und Geschäftsführung – vor allem aber für das Fortbestehen der MS Deutschland.
Mehr als nur ein Schiff zu managen, hilft Kosten sparen...
Es ist kein Geheimnis und auch den Mitarbeitern der Deutsche Kreuzfahrt Management Services GmbH (DKMS) nicht unbekannt. Einschiffreedereien oder Reedereien mit wenigen Schiffen jedoch gibt es kaum noch. Sie sind ineffizient. Seitdem der Gründer der Reederei 2003 verstarb, übernahmen seine Töchter das Ruder. Von den damals 13 Schiffen der Reederei, blieb nur die Deutschland übrig. Der Konkurrenzdruck ist hoch. Die Fix-Kosten des Reedereibetriebes können nicht breit genug umgelegt werden. Die Ausfallrisiken sind katastrophal. Das Schiff in der Werft spielt kein Geld ein und kein anderes Schiff ist zur Stelle den Platz zu halten.
Für die DKMS wird es darauf ankommen die richtigen Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie hart sind. Was sind ihre Optionen?
A) weitere Schiffe unter Management der DKMS nehmen
B) Eigentümer gibt MS Deutschland in Management einer Konkurrenzreederei, die mehr als nur ein Schiff verwaltet. DKMS auflösen.
Eine Bekenntnis zu A oder B dürften langfristig nicht zu umgehen sein. Die Deilmann-Konkurrenten sind in der Lage durch eine Überzahl an hochmodernen Schiffen andere Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Sie können ihren Gästen bessere Konditionen in moderneren Schiffen anbieten und erwirtschaften doch einen höheren Ertrag. Denken wir mal nur an den Spritverbrauch eines neuen Schiffes im Vergleich zur MS Deutschland…
Man könnte die MS Deutschland als leicht antiquiert bezeichnen. Zumindest im direkten Vergleich. Daran wird auch die längste Werftzeit nichts mehr ändern. Das Schiff und seinen Geist zu konservieren dürfte ohnehin die beste Handlungsoption der Eigentümer sein.
Das ist aber auch gut so. Die Deutschland braucht keinen modernen Schein, wilde nacheifernde Umbauten oder unzählige Balkone… warum nicht virtuelle Balkone, Fenster in eine ganz andere Welt? Weiter unten mehr dazu.
Sch***t auf Festnetz, macht gleich Mobilnetz!
Der Vergleich ist vielleicht etwas weiter hergeholt: die Entwicklung der Telekommunikation in westlichen, entwickelten Ländern vs. Afrika. In Afrika wurde der Entwicklungsschritt „Festnetz“ einfach übersprungen. Mobilfunknetze entwickeln sich rapide. Es wurde eine Entwicklungsstufe übersprungen und somit enrome Kosten gespart.
Übertragen stellt sich die Frage: Worauf wird es in der Kreuzfahrt der Zukunft ankommen? Ich würde gern jederzeit überall im Internet sein und arbeiten können (weil ich eben viel und fast täglich im Internet arbeite). Ein Kreuzfahrtschiff kann schnell zum zweiten Zuhause werden, mehr als nur ein Ort an dem man Urlaub macht (oder arbeitet). Kreuzfahren ist etwas besonderes. Es entschleunigt. Um die Frage der Kreuzfahrtzukunft beantworten zu können, kommt es auf den richtigen Diskurs an. Könnte eine Moderation helfen? Vielleicht die europäische Kreuzfahrtvereinigung und Herr Grammerstorf... Aber vielleicht reichen bereits die Meinungen Kreuzfahrer die sich mit der Zukunft der MS Deutschland beschäftigen, sich um das Schiff sorgen. Die Frage lautet:
Worauf wird es in der Kreuzfahrt der Zukunft ankommen?
Behaupten wir die Deutschland bleibt. Nehmen wir an, dass die Geschäftsleitung lediglich auf Grund der im deutschen Recht eng gesteckten Grenzen zum Insolvenzverfahren eben dieses eingeleitet hat. Das man einen Ausweg aus den kürzlich eingesammelten Millionen in Nachrangsdarlehen gesucht und gefunden hat. Nehmen wir an, dass das Schiff die Werft abschließt, aus der Werft kommt und weiter fährt, der Brei heißer gekocht als gegessen wird…
Gehen wir also von einer instandgesetzten aber gleich gebliebenen MS Deutschland aus, die mit den Europa IIs dieser Welt konkurrieren will. Wer fährt mit?
Anstatt die immer gleiche Zielgruppe anzusprechen, neue, internationale, zahlungskräftige Kunden ansprechen.
Wer immer mit der Deutschland fährt, fährt auch immer mit der Deutschland. Wer aber kennt das Traumschiff und kommt nicht aus Deutschland? Die wenigsten Gästen kommen aus fernen Ländern, oder? Was ist mit dem wohlhabenden europäischen Ausland, der arabische Welt, den Vereinigten Staaten, China, den BRIC Staaten? Neureiche und alt eingesessene Eliten könnten frischen Wind in die Buchungszahlen bringen und vor allem Geld mit an Bord und das reichhaltige Serviceangebot nutzen. Bei dieser Zielgruppe hört es aber nicht auf.
Warum international? Wir sind Weltmeister! Deutschland wurde kürzlich als beliebtestes Land der Welt gekürt, Angela Merkel trinkt Bier in Pubs bei Brisbane zum G20 Gipfel. Die Gelegenheit das internationale Marketing zu optimieren und zu versuchen auf der “Deutschland-Welle” mitzuschwimmen. Wo sonst als im Alte Fritz bei Bockwurst, im Lido beim Tee oder im Kaisersaal zur Gala im Schick-Schick, der Lilli zur Tänzchen danach oder beim 7., 8., 9. Gang (?!) im Berlin könnte „die Welt“ deutsche Kultur erleben? Das Ambiente auf Deck 8 kommt doch nah heran an tausend und eine Nacht. Die Werft bringt vielleicht auch ein paar neue Balkone für die Damen und Herren mit. Ein Schritt weiter: „Reise durch die Vergangenheit. Auf den Spuren der (deutschen) Kolonialzeit.“
Es geht nicht um den Oligarchen der sich sonst in seiner eigenen Yacht herumtreibt, sondern denjenigen der gerade unter dieser Schwelle lebt. Geschäftsleute die international tätig sind. Anfang und Mid-30er die im Internet ihre ersten Millionen gemacht haben. “Dann bräuchte das Schiff aber noch einen ordentlichen Club…” mögen jetzt einige denken. Und nein, die “Fotolabar” zählt nicht! Klar ist das ein Schuss ins blaue, vielleicht auch leicht gesagt. Mit einer klaren Botschaft könnte es aber gelingen. Daran glauben wir. Jedes „Revival“ – nach der bitteren Insolvenznachricht – braucht eine klare Strategie. Die Gäste der Deutschland brauchen weiterhin bezahlbare Kabinen.
Marketingoptionen die das Schiff für sich sprechen lassen
BMW war bereit mit ihrem Drift-off neue (Markteing)Wege zu gehen ohne zu ahnen ob es funktioniert. Keiner der beteiligten wusste ob es klappen kann. Versucht haben sie es trotzdem. BMW steht gut da im Vergleich zur Reederei Deilmann, das mag sein. Die Botschaft dürfte klar sein:
Wer (heute im Marketing) nicht wagt, der nicht gewinnt!
Die Zeit konservativen Marketings ist vorüber.
1. Aufnahmen von allem, überall, immer, für jeden, kostenlos
Drohnen und 360° Kameras einsetzen, um auch nicht-Gästen oder werdenden Gästen einen Einblick in die Reisen durch faszinierende Aufnahmen zu gewähren. An Bord und an Land. Über die Webseite interaktiv und in Fast-Echtzeit zugänglich. In den Kabinen an Bord über die Fehrnseher ausgestrahlt anstatt nur vernebelte Videos zu zeigen. Die Investitionen für die Technik wären überschaubar, könnten aus dem aktuellen Marketingbudget kommen.
Das Schiff soll nicht zu einer billigen Big Brother-Kopie werden. Jede Foto und Videoaufnahme muss auch im Rahmen angemessener Privatsphäre aufenommen und publiziert werden. Das zu gewährleisten ist möglich.
2. Für die nachwachsende Generation muss Kreuzfahren = MS Deutschland sein
Einen Youtubekanal der die 10-15 jährigen adressiert, einen entsprechenden Youtuber mit an Bord nehmen und über die abgefahrensten Dinge in den Ländern berichten lassen oder erkunden wie im Detail ein Schiff funktioniert. Der Jugend Wissen schenken wo sie es sonst nicht bekommen würden. Youtuber sind selbstständige Kreaturen. Mehr als Platz an Bord und Internet braucht man nicht bereitstellen. So würde man eine zukünftige internationale Kundengruppe (Gen Z) ansprechen und gleichzeitig einen Mehrwert stiften (Bildung). Wenn jemand sich für Kreuzfahrt interessiert, muss er neben den amerikanischen Riesenbombern auch die Deutschland finden.
3. Die Deutschland, Raum für internationale Geschäfte
Superschnelles Internet anbieten, um die Zeit an Bord bspw. für Geschäftsleuten und Firmen attraktiver zu machen. Geschäftsreisen in ferne Länder in denen deren Handelsvertreter an Bord eingeladen werden um Geschäfte zu ermöglichen. Dubai, Singapore, Hong Kong… entlang der üblichen Routen gibt es zahlreiche Möglichkeiten und so ein Luxuskreuzfahrschiff kann für so manchen Deal das ideale Setting sein. Vielleicht gibt es einen Raum den man abhörsicher umbauen könnte? Mit einer einfachen Videokonferenzausstattung, bzw. einer Leinwand und Beamer. Firmenkunden an sich könnten interessante Kunden sein, Themenreisen sind nichts neues. Möglicherweise lässt sich die geschäftige Zielgruppe ebenfalls in so ein Thema zusammenfassen.
4. Personifizieren und für sich sprechen lassen
Die Leute interessiert nicht wem das Schiff gehört sondern das Schiff an sich, die Seele, das Herz des Schiffes zählt. Das kann man sich zu Nutze machen. Dem Schiff muss man nicht mehr eigenes Leben einhauchen. Man kann es jedoch mehr personifizieren, mit Hilfe digitaler Technik. Man kann das Schiff twittern, Bilder über Instagram teilen lassen, die Facebook-Seite nutzen um das Schiff und nicht die Reederei sprechen zu lassen. Vielleicht ein bisschen verspielt aber ich stelle mir eine leicht wiederhallende digitale weibliche Stimme vor, mit nordischem Einschlag. Auf der Webseite, in den Kabinen… Die Umsetzung ist einfach. An Bord könnte dann das Schiff mit den Gästen interagieren, in den Kabinen bspw. für Serviceanfragen. Nichts anderes als das Telefon nur in moderner, mit dem Internet verbunden. Wie Siri oder Google Voice.
Wer immer mit der Deutschland fährt, fährt auch immer mit der Deutschland.
Weil es noch nicht erwähnt wurde. Als es um die Ausflaggung nach Malta ging, waren auch wir live dabei. Die Sicherheitsvorbereitungen waren seiner Zeit in vollem Gange.
Die Ausflaggungsentscheidung hätte finanziell mindestens kurzfristig Luft bedeutet. Vielleicht würden wir Heute (noch) nicht über die Insolvenz sprechen müssen, wenn Mayr und Demel ihre Entscheidung hätten umsetzen können. Verschüttete Milch… Heute glaube ich, dass die MS Deutschland immernoch nicht unter deutscher Flagge bleiben muss um die Deutschland zu bleiben. Die deutsche Flagge schadet jedem Schiff das sie tragen muss. Das klingt hart, ist in der Schifffahrt jedoch Realität. Keine Flagge stellt Reederein vor mehr Schwierigkeiten und höhere Kosten in allen Belangen.
Mag der Diskurs weiter gehen, konstruktiv und emotional.
Die 4 Handlugnsoptionen gegen den Untergang der MS Deutschland nochmal in Kurz zusammengefasst:
1) Flagge abschaffen
2) Weitere Schiffe mit ins Management nehmen oder Management der Deutschland outsourcen
3) Zielgruppen des blauen Ozeans durch Deutschland Marketing ansprechen
4) einen Entwicklungsschritt überspringen
Wir drücken die Daumen. Auf den Schock – erstmal eine Apotheke…
Credits
Author: Sebastian
Images: OSI Maritime Sicherheit 2011, Vincent Novak